Das verschlafene Surfer- und Fischerdorf El Zonte an der Pazifikküste von El Salvador ist unter dem Namen "Bitcoin Beach" das inoffizielle Mekka für Bitcoiner.
Das 3000 Einwohner zählende El Zonte wird gerne auch als Keimzelle der Adaption von Bitcoin in El Salvador gesehen. Warum das so ist, was Bitcoin Beach besonders macht und welche bekannten Bitcoiner man hier trifft, erfährst du in meinem Reisebericht.
Videos von meiner Reise findest du in der El Salvador Playlist auf YouTube.
Insgesamt war ich Ende 2021 über 7 Wochen im mittelamerikanischen Land.
Der Anfang von Bitcoin Beach: Geheime Bitcoin Spende
Die Geburt des Bitcoin Beach Projektes liest sich wie ein Märchen und passt damit sehr gut zu dem Bitcoin-Narrativ mit dem anonymen Bitcoin-Gründer Satoshi Nakamoto.
Im Jahr 2019 kontaktierte ein anonymer Bitcoiner den seit vielen Jahren in El Zonte lebenden US-Amerikaner Michael Peterson. Jener anonyme Bitcoiner der ersten Stunde wollte einen hohen Betrag in Bitcoin spenden und damit eine Bitcoin-Wirtschaft aufbauen, um Leuten zu helfen die sonst vom Finanzwesen ausgeschlossen sind.
Stichwort "Bank the unbanked" (Siehe auch mein Artikel / Video dazu). Vor Ort wurde mir der Spendenbetrag von 100.000 USD+ in Bitcoin genannt. Allerdings hatte der anonyme Bitcoiner eine Bedingung.
Aufbau der Bitcoin-Community
Die Spende musste direkt an die lokale Community fließen und durfte nicht in die damals einzige Landeswährung, den US-Dollar, eingetauscht werden. Unter dieser Bedingung nahm Peterson die Bitcoin-Spende an und begann mit dem Aufbau einer Bitcoin-Community in El Zonte.
Mit Hilfe von lokalen Bewohnern wie z.B. Jorge Valenzuela und Roman "Chimbera" Centeno wurde damit begonnen eine lokale Bitcoin-Kreislaufwirtschaft aufzubauen.
Hier im Bild: Jorge Valenzuela. Einer der Community-Führer in El Zonte vor "der Community-Zentrale", dem Hope House.
Es sind noch viele weitere Personen am Projekt beteiligt, die ich allerdings nicht alle kennengelernt habe. Einen kurzen Überblick liefert ihre Webseite. Die Initiative ist allerdings viel mehr als nur eine Community, die mit Bitcoin zahlt.
Karte von El Zonte via Google Maps
Bürgerkrieg und Gangs: Auswirkungen auf El Salvador
Wer schon mal von El Salvador gehört hat, der weiß vielleicht auch, dass El Salvador bis vor einigen Jahren die höchste Tötungsrate der Welt hatte. Das kleine zentralamerikanische Land hat durch den Bürgerkrieg in den 80er und 90er Jahren immer noch mit politischer Instabilität und Gang-Kriminalität zu kämpfen.
Und auch in El Zonte schlossen sich zukunftslose Jugendliche den kriminellen Maras an, wenn auch deutlich weniger als woanders im Land. Mittlerweile ist die Kriminalität im ganzen Land etwas zurückgegangen, aber immer noch auf hohem Niveau.
Soziale Initiative in El Zonte
Dies bewegte Jorge Valenzuela dazu den Jugendlichen schon lange vor Bitcoin Beach durch soziale Projekte wieder Hoffnung und Zukunftsperspektiven zu geben. Denn er verlor einige Freunde während seiner Jugend an die Gang-Kriminalität (Video ab Minute 19). Bereits vor der Bitcoin-Spende wurden Fahrten zu entfernten Schulen organisiert oder den Kindern ein sozialer, sicherer Ort zum Zusammenkommen und Lernen geboten. Es gab wieder Hoffnung für die Jugend. Dieses soziale Engagement war fortan ein wichtiger Eckpfeiler des Bitcoin Beach Projektes und bot nun auch ganz andere finanzielle Möglichkeiten.
Jeden Samstag Vormittag um 8 Uhr gibt es kostenloses Surf-Training "Surf Para Todas" oder andere Aktivitäten für die Kinder.
Hier ein paar Beispiele:
- Jugendliche erhalten kostenlosen Englisch und Informatik-Unterricht, um später bessere Jobangebote zu erhalten
- Jugendliche erhalten neue Laptops
- Fahrten zu den Schulen o.Ä. werden organisiert
- Kostenlose Aktivitäten für Kinder, um sie "von der Straße" fernzuhalten
- Beach Cleanup und andere gewaltlose Wettkämpfe werden mit Bitcoins belohnt
Erfolg von Bitcoin Beach
In den ersten Monaten entwickelte sich das Projekt organisch und die Dorfbewohner lernten die für sie komplett neue Technologie kennen. Die wenigsten haben hier ein Bankkonto (Nur ~30% in El Salvador haben ein Bankkonto). Die Wenigen die eines haben, müssen lange mit dem Bus zur nächsten Bankfiliale fahren, um Bank-Transaktionen vor Ort zu erledigen. Das dauert häufig einen halben Tag. In Deutschland ist sowas in Zeiten von Online-Banking unvorstellbar.
Bitcoin Lightning Zahlung in El Zonte. Das Video dazu gibt es hier.
Viele verfügen aber über ein (günstiges) Smartphone mit Internetzugang. Genau hier setzt Bitcoin an und bietet eine Alternative und Ergänzung zum Bezahlen mit Bargeld. Hinzu kommt, dass die Dorfbewohner das erste Mal das Konzept vom Geld sparen kennenlernten. Gaben sie die Bitcoins nicht direkt aus, erhöhte sich ihre Kaufkraft in der Zukunft. Das ist sofort verständlich und greifbar.
Zuerst wurden ganz normale Bitcoin Onchain-Transaktionen verwendet, um in der Community Transaktionen durchzuführen. Schnell merkten allerdings die Community-Führer um Peterson, dass Onchain-Transaktionen bei den hohen Bitcoin-Gebühren keinen Sinn ergeben, sodass die Second-Layer Lösung Bitcoin Lightning Network zum Einsatz kam.
2020 folgten dann die ersten Berichte (z.B. Forbes) über das Projekt und Bitcoiner weltweit wurden auf die Initiative aufmerksam.
Strike und Jack Mallers
Im Jahr 2021 kam der Gründer und Entwickler Jack Mallers vom Bitcoin-Wallet und Zahlungsdienstleister Strike mit seinem Team von den USA nach El Zonte. Er blieb mehrere Wochen und Monate. In der Folge eröffnete Strike mit El Salvador ihren ersten Absatzmarkt außerhalb von den Vereinigten Staaten. Legendär war natürlich auch seine Ankündigung auf der Bitcoin Konferenz 2021 in Miami zusammen mit dem Präsidenten Nayib Bukele, dass El Salvador Bitcoin als Zahlungsmittel einführen wird.
Strike startete sehr erfolgreich in El Salvador und El Zonte. Mittlerweile hat sich Strike aber mehr und mehr aus dem Land zurückgezogen und wurde von der staatlichen Bitcoin-Wallet Chivo verdrängt. In meinen sieben Wochen vor Ort habe ich nur ein Strike-Werbebanner in San Salvador und wenige Schilder in El Zonte von Strike gesehen. Auch kannte eigentlich niemand die Strike-App außerhalb von El Zonte, was schade ist. Einen guten Artikel dazu gibt es von Joko von BTC21.de.
Strike ist auch in El Zonte kaum noch zu finden.
Bitcoin Beach Wallet
Die staatliche Chivo-Wallet wird hier auch nicht verwendet. Die lokale Community verwendet ein eigenes für sie entwickelte Bitcoin-Wallet namens Bitcoin Beach Wallet. Das Lightning Wallet wurde von Galoy vor Ort entwickelt und ist Open Source und ein Custodial Wallet, bei welchem die Private Keys von mehreren Community-Mitgliedern in El Zonte via Multisig gehalten werden. Ein Mix aus Custodial und Non-Custodial. Shared Custody heißt das.
Heißt übersetzt: Es gibt X Schlüssel, die von verschiedenen Bewohnern in El Zonte gehalten werden. Nur wenn alle Schlüssel eingesetzt werden, könnte man auf die Private Keys der Bitcoin Beach Wallet Nutzer zugreifen.
Wie viele Bewohner und welche über die Schlüssel verfügen wird aus sicherheitstechnischen Gründen nicht Preis gegeben. Wer allerdings mehr zu dem Bitcoin Beach Wallet erfahren will, der sollte sich diesen Artikel von Galoy durchlesen.
Händler nutzen Lightning und erhalten Nutzernamen
Interessant aus Nutzersicht ist, dass jeder Nutzer und Händler eine Bitcoin-Adresse, eine Lightning-Adresse und einen Nutzernamen erhält. Die Informationen sind unter einer öffentlich Web-URL einsehbar (Beispiel: https://ln.bitcoinbeach.com/minutasmario). Lightning-Invoices können von anderen Lightning Wallets darüber erstellt werden.
Minutas ist ein landestypisches Kratzeis. Hier habe ich pro Minutas zirka umgerechnet $1,20 in Lightning bezahlt.
Die Händler haben dazu ein einheitliches Schild, um Transaktionen auch ohne Handy entgegennehmen zu können. In der Praxis hat es bei mir ohne Handy allerdings nie ganz problemlos geklappt, denn der Lightning QR-Code auf dem Schild wurde von meiner Blue Wallet nicht immer erkannt. Das Scannen beim Handy des Händlers hat aber immer geklappt, denn hier konnte der Händler gleich die Lightning-Rechnung erstellen.
Schau dir dazu gerne auch meine Videos bei verschiedenen Händlern auf YouTube an!
Bitcoiner erobern El Zonte?
El Zonte und Bitcoin Beach sind bei Bitcoinern weltweit als Pioniere bekannt. Auch das Bitcoin-Gesetz vom Sommer 2021 hat dazu beigetragen, dass viele Bitcoiner ein Auge auf El Salvador und speziell El Zonte geworfen haben. Denn Präsident Bukele kündigte an, dass Bitcoin-Investoren keine Steuern auf Gewinne mit Bitcoin zahlen und mit einem Investment von drei Bitcoins die salvadorianische Staatsbürgerschaft erlangen können. Dazu ist El Zonte im Vergleich zu anderen Orten in El Salvador sehr sicher und paradiesisch (nur meine persönliche Meinung :)).
So ist es auch nicht verwunderlich, dass man viele bekannte Bitcoiner wie z.B. Stacy Herbert und Max Keiser in El Zonte trifft. Aber auch Tone Vays oder Jimmy Song waren zur gleichen Zeit vor Ort. Viele US-Amerikaner trifft man hier, da El Salvador nur drei Flugstunden von den USA entfernt liegt. Trotzdem hat El Zonte nichts von dem Vibe und Lockerheit verloren, den ich hier bereits 2015 und 2019 vorfinden durfte. Nur halt mit Bitcoin jetzt.
Ein Hostel direkt am Wasser von El Zonte.
Teure Übernachtungskosten
El Zonte ist beliebt. Das sieht man auch an den Grundstückspreisen und Übernachtungskosten. Viele Luxus-Hotels haben sich hier angesiedelt bei dem man gut und gerne $400/Nacht lassen kann. Unter $50/Nacht findet man kaum was. Dazu kommt eine Tourismussteuer von knapp 20%. Ich kenne noch einige Grundstückspreise, direkt am Wasser, aus 2015 und 2019. Ich schätze, dass diese sich mindestens verdrei- bis fünffacht haben.🥲
Eine relative günstige Übernachtung findest du bei Olas Permanentes. Klasse Hostel und Restaurant direkt am Meer, allerdings kein Luxus. Den braucht man dort allerdings nicht, denn der Luxus ist direkt vor der Tür.😉
Hinweis: Bereits vor der Bitcoin-Spende hatte ich die beiden in El Zonte kennengelernt. Roman hat mir das Surfen beigebracht und Jorge arbeitete in dem beliebten Restaurant Olas Permanentes.