Lessons Learned: Warum Krypto-Startups scheitern

Marco Schneekluth
27. Juni 2025 Aktualisiert: 27. Juni 2025
Interview
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Scheitern ist ein Thema, über das viele nur ungern sprechen – erst recht in der öffentlichkeitswirksamen Welt der Start-ups. Schließlich muss man sich von seiner besten Seite präsentieren, um Investoren zu gewinnen und für innovative Geschäftsmodelle zu werben.

Für Gründerinnen und Gründer, aber auch für Investorinnen und Investoren ist es oft mit persönlichen Rückschlägen, finanziellen Verlusten und beschädigtem Ruf verbunden. Doch so unangenehm es sein mag: Scheitern gehört zum unternehmerischen Alltag. Besonders im dynamischen und risikobehafteten Umfeld der Krypto-Branche sind Insolvenzen, gescheiterte Geschäftsmodelle und gestrandete Innovationen keine Ausnahme, sondern Realität.

Wir haben eine Reihe von wertvollen Gesprächen mit Gründern und Kapitalgebern geführt, die entweder selbst gescheitert sind oder Unternehmen haben scheitern sehen. Ihre Erfahrungen zeigen, was häufig schiefläuft – und was sich daraus lernen lässt.

Kai Kuljurgis: Vom Scheitern und Weitermachen – Was Coindex lehrte

Kai H. Kuljurgis
Kai Kuljurgis gründete u.A. Coindex im Jahr 2018. Im März 2025 gründete er stative.xyz.

Coindex galt über Jahre hinweg als eines der ambitioniertesten Krypto-Startups in Deutschland. Die Idee: eine Brücke zwischen traditionellem Vermögensaufbau und digitalen Assets zu schlagen – intuitiv, regulierungskonform und massentauglich. Vieles sprach dafür, dass das Unternehmen zum Pionier einer neuen Investmentkultur werden könnte. Doch am Ende kam es anders. Das Projekt scheiterte – trotz eines geplanten Exits, der Coindex in ein großes TradFi-Haus hätte überführen können. „Das war natürlich ein sehr nerviger Tiefschlag, der auch auf eine Art irgendwie devastating war,“ erinnert sich Gründer Kai Kuljurgis.

Dabei war der Deal greifbar nah. Gespräche liefen, der strategische Fit war gegeben – doch das Marktumfeld, das sich im Krypto-Winter massiv abkühlte, machte die Transaktion in letzter Minute unmöglich. Für Kuljurgis war klar: „Wenn du in einer anderen Marktphase so eine Situation gehabt hättest, wäre das vielleicht durchgegangen.“ Dass es anders kam, wertet er nicht als persönliches Scheitern – sondern als unternehmerische Realität.

Kai spricht über das Ende von Coindex mit einer Ruhe, die von Reflexion zeugt. „Solche Krisen sind normal für jedes Unternehmen,“ sagt er nüchtern. „Die Ursachen variieren, aber die Herausforderung bleibt gleich: Damit umgehen zu können.“ Gerade in der Kryptobranche sei diese Fähigkeit überlebenswichtig. Die Branche sei jung, volatil und stark von äußeren Faktoren abhängig. „Ich glaube, in der Krypto-Welt sind diese Schwankungen nochmal deutlich kurzlebiger. Was in anderen Branchen Jahrzehnte dauert, spielt sich hier in wenigen Monaten ab.“

Hinzu kamen regulatorische Entwicklungen, die bei Gründung von Coindex schlicht nicht absehbar waren. „Es war zu Beginn unseres Projekts nicht notwendig, eine Erlaubnis für die Verwahrung von Kryptowerten zu haben. Als das Gesetz kam, hat das unser Setup fundamental verändert.“ Auch das sei Teil der Realität: Startups müssten nicht nur gute Produkte entwickeln, sondern sich auch an Spielregeln anpassen, die sich im laufenden Betrieb plötzlich ändern können.

Was Kuljurgis in dieser Zeit gelernt hat, lässt sich nicht auf ein einzelnes Rezept reduzieren. Vielmehr sei es ein unternehmerisches Mindset, das sich verfestigt habe. „Ich glaube, als Unternehmer geht es im Kern immer darum, Probleme zu lösen – auch wenn sich die Probleme verändern.“ Der Anspruch, dabei nicht stehenzubleiben, zieht sich wie ein roter Faden durch seine Haltung. „Du musst dir die Hände schmutzig machen. Nur wer wirklich mit der Zielgruppe spricht, kann valide Pläne machen.“ Der Elfenbeinturm? Für Kuljurgis eine Sackgasse.

Wichtig sei vor allem, früh Feedback einzuholen – von den Richtigen. „Nicht von Leuten, die dir wohlgesonnen sind, sondern von denen, die später dafür bezahlen oder es benutzen sollen.“ Auch diese Haltung – radikale Marktnähe – ist ein Ergebnis des Weges, den er mit Coindex gegangen ist. Und obwohl das Projekt nicht das gewünschte Ziel erreicht hat, ist Kuljurgis überzeugt: „Es hat mich geprägt – und ich habe extrem viel mitgenommen.“

Heute arbeitet er in einem stark wachsenden Fintech-Unternehmen mit mehr als 600 Mitarbeitenden – doch die Krypto-Szene bleibt Teil seines Denkens. In einem privaten Side-Projekt beschäftigt er sich mit Stablecoins, betreibt einen Newsletter und beobachtet die Entwicklung von Narrativen und Regulierung sehr genau. Auch die Debatte um das Scheitern an sich beschäftigt ihn. „Ich finde, wir sollten mehr darüber sprechen, was Erfolg eigentlich bedeutet. Ist ein Projekt, das scheitert, wirklich ein Misserfolg? Oder war es erfolgreich, weil es gezeigt hat, dass die Idee nicht trägt?“

Die Debatte um Scheitern sei oft zu binär – und im deutschsprachigen Raum kulturell noch immer negativ konnotiert. Dabei sei der Umgang mit dem Ende eines Projekts oft entscheidender als der mit dem Anfang. „Man muss offen bleiben, kreativ und lösungsorientiert. Es geht nicht darum, nie zu scheitern – sondern darum, dabei nicht die Haltung zu verlieren.“ Und vielleicht, so Kuljurgis, gehe es am Ende ohnehin immer nur um eins: „Verantwortung übernehmen. Für die Idee, das Team – und für die Entscheidungen, die man trifft.“

„Ich versuche, mich alle zwei Wochen selbst überflüssig zu machen“ – Learnings eines Krypto-Unternehmers

Für Peter Grosskopf, Seriengründer und Mitgestalter mehrerer Krypto-Start-ups, ist Scheitern kein dramatischer Einbruch, sondern eine Konstante unternehmerischen Handelns. „Ein Unternehmerleben ist eine Aneinanderreihung von kleinen Fails“, sagt er im Gespräch. Entscheidend sei dabei nicht das Vermeiden von Fehlern, sondern der Umgang mit ihnen: „Man muss offen bleiben und sich veränderten Rahmenbedingungen anpassen.“ Wer an überholten Plänen festhalte, laufe Gefahr, in einem „großen Fail“ zu enden.

Peter Grosskopf gründete zahlreiche Startups im Fintech- und Krypto-Bereich und ist eines der Gesichter der deutschen Krypto-Szene

Diese Haltung wurde für ihn besonders im crypto winter relevant, wenn Märkte einbrechen, Investoren sich zurückziehen und Geschäftsmodelle auf den Prüfstand geraten. Der FTX- und Terra-Luna-Crash trafen eines seiner Projekte unmittelbar nach dem Launch. „Wir mussten uns direkt mit diesen geänderten Rahmenbedingungen konfrontieren“, erinnert sich Grosskopf. Trotz solcher Rückschläge sieht er nicht die Marktzyklen selbst als Problem – sondern die mangelnde Reaktion vieler Unternehmer darauf.

Ein wiederkehrendes Thema in seinem Werdegang ist der richtige Umgang mit Verantwortung. In seiner ersten Gründung habe er versucht, alles selbst zu machen – ein Fehler, den er später bewusst korrigierte: „Ich baue Organisationen so auf, dass sie unabhängig von mir funktionieren.“ Dazu gehöre vor allem, starke Persönlichkeiten ins Team zu holen, Verantwortung zu übertragen – und Vertrauen zu schenken. „Man sollte sich möglichst früh von der Illusion verabschieden, alles selbst kontrollieren zu können.“

Grosskopf plädiert außerdem dafür, früh zu gründen – nicht nur aus Überzeugung, sondern auch aus pragmatischen Gründen: „Wenn man jung ist, kann man auch mal eine Zeitlang am Existenzminimum leben. Später wird’s schwieriger, wenn man ein Haus abbezahlen muss.“ Wer Unternehmergeist verspüre, solle nicht zögern – aber mit Bedacht starten: „Jung, mit leichtem Gepäck, aber möglichst mit Erfahrung im Rucksack“, rät er. Gemeint ist damit nicht nur praktische Erfahrung, sondern auch der Austausch mit erfahrenen Gründerinnen, Business Angels oder Investoren.

Und schließlich: Wer in der Krypto-Branche langfristig erfolgreich sein will, sollte sich nicht vom nächsten Hype treiben lassen. Grosskopf sieht die Zukunft in Produkten, die reale Probleme lösen – nicht in kurzfristigen Gewinnen. „Ich würde grundsätzlich empfehlen, aus diesen Hypezyklen auszubrechen“, sagt er. Projekte, die echte Relevanz für den Alltag haben – wie Wallets oder Stablecoins als Infrastruktur – könnten dazu beitragen, Krypto langsam aus der Blase herauszuführen.

„Wenn das Geschäftsmodell nur im Bullenmarkt funktioniert, ist es kein gutes Geschäftsmodell“ – Tim Zölitz über Resilienz und Marktvalidierung

Tim Zölitz ist CEO von Crypto Risk Metrics, welches mit vielen deutschen und internationalen Krypto-Startups eng zusammenarbeitet.

Tim Zölitz ist CEO von Crypto Risk Metrics – einem auf Software- und Datenlösungen spezialisierten Anbieter für die Finanzwelt. Ursprünglich als Beratungsfirma gestartet, entwickelte sich das Unternehmen im Laufe eines Kundenprojekts weiter in Richtung Produktentwicklung. „Wenn der Kunde etwas braucht, um ein Projekt regulatorisch umzusetzen, dann werden das wohl auch andere brauchen“, beschreibt Zölitz den entscheidenden Impuls für den strategischen Wandel. Heute liefert Crypto Risk Metrics unter anderem ESG-Daten für Krypto-Assets, unterstützt das Risikomanagement sowie die Marktgerechtigkeitsprüfung und hilft Finanzinstituten, sonstige regulatorische Anforderungen aus der MiCAR umzusetzen.

Rückblickend war vor allem der Marktzugang eine große Herausforderung: „Damals war die Nachfrage im institutionellen Bereich nach Krypto relativ überschaubar“, erinnert sich Zölitz. Viele potenzielle Kunden hielten Krypto schlicht für Betrug oder umweltschädlich. Es habe viel „edukative Arbeit“ gebraucht, um an dieser Wahrnehmung etwas zu ändern.

Zölitz betont, wie wichtig es für Start-Ups sei, sich von klassischen Businessplänen zu lösen: „Ich liebe es zu planen – am liebsten in Excel. Aber das funktioniert in den Frühphasen eines Unternehmens nicht.“ Stattdessen habe sich Flexibilität als Erfolgsfaktor erwiesen: „Alle unsere Entwicklungen waren am Anfang spontane Ideen und standen in keinem Businessplan.“ Besonders prägend war für ihn die Erfahrung aus einem früheren Projekt, das scheiterte, weil es keinen Markt für das Produkt gab. „Coole Idee, technisch sauber – aber der Markt war selbst fünf Jahre später kaum vorhanden.“

Ein zentrales Learning: Marktvalidierung schlägt Produktverliebtheit. „Man muss ein Gespür haben, ob ein Markt überhaupt frühzeitig kommen kann. Wenn der Product-Market-Fit fünf Jahre entfernt ist, bekommt man die Strecke nicht überbrückt.“

Obwohl sein aktuelles Geschäftsmodell relativ krisenfest ist – Compliance wird auch im Bärenmarkt gebraucht – sieht Zölitz Resilienz als unternehmerische Grundvoraussetzung: „Wenn ein Geschäftsmodell nur im Bullenmarkt funktioniert, ist es kein gutes Geschäftsmodell.“

Auch in der täglichen Organisation setzt Zölitz auf Pragmatismus statt Perfektion. Manches sei bewusst nicht von Anfang an perfekt aufgesetzt worden, etwa im Rahmen der Produktentwicklung oder unkritischen Prozessen: „Dabei ist manchmal besser, als wenn man alles perfekt plant, aber produktseitig nicht vorankommt.“ Dennoch macht er klar: In kritischen Bereichen wie z.B. Datenschutz oder IT-Security sei kein Spielraum – dort müsse von Beginn an Professionalität herrschen, gerade im Bereich der Compliance.

Seinen Führungsstil beschreibt er als verantwortungsbasiert und teamorientiert. Menschen mit echter Ownership seien für ihn unverzichtbar. „Wenn man sich auf Leute verlassen kann, kann man lockerer führen – das macht es deutlich leichter.“ Diese Mitarbeitenden zu finden, sei allerdings „nicht so einfach und relativ teuer“.

Was junge Gründer mitbringen sollten? Durchhaltevermögen. Zölitz nennt es eine Binsenweisheit, betont aber: „Es gibt Phasen, da läuft alles in die falsche Richtung. Aber darauf folgen auch andere.“ Wer diese Durststrecken übersteht, hat eine echte Chance, etwas Tragfähiges zu bauen.

„Wenn man ehrlich ist, kann man Krisen meistern“ – Was Venture Capital aus dem Scheitern lernt

Dr. Alex von Frankenberg ist Geschäftsführer des High Tech Gründerfonds, welches in innovative (Krypto)-Startups investiert.

Für Alex von Frankenberg ist Scheitern nicht nur Teil des Spiels – es ist kalkuliertes Risiko. Der Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds hat in seiner Laufbahn Investments in hunderte Start-ups begleitet. In dem ersten Fonds scheiterten rund 50 % der Beteiligungen vollständig, in späteren etwa 40 %. Doch Scheitern ist nicht gleich Scheitern: „Es gibt Unternehmen, die wirtschaftlich scheitern, aber in einer neuen Struktur durchaus erfolgreich sind“, so von Frankenberg. Und umgekehrt: „Ein wirtschaftlich erfolgreicher Exit kann für den Käufer ein Misserfolg sein.“

Im Gespräch wird deutlich, dass die Gründe des Scheiterns oft jenseits reiner Marktmechanismen liegen. Besonders häufig sei Streit im Gründerteam oder zwischen Investoren und Geschäftsführung ein zentraler Faktor: „Ein großer Fehler und auch ein Hauptscheitergrund ist Streit“, sagt von Frankenberg. Auch mangelnde Vertriebsfähigkeiten im Team oder technologische Lösungen ohne klaren Marktbedarf seien typische Stolperfallen. „Tolle Technologie, aber kein Geschäftsmodell – das ist oft das Problem.“

Trotz Erfahrung und Statistik bleibt jedes Scheitern ein Einzelfall – und emotional spürbar: „Es ist eingeplant – aber nicht für das einzelne Unternehmen.“ Deshalb kämpft der HTGF oft bis zum Schluss um das Überleben seiner Beteiligungen. Ein Beispiel: Während der Corona-Pandemie hätte das Fitness-Start-up eGym scheitern können, weil sämtliche Studios schließen mussten. „Hätten die Investoren damals die Finanzierung nicht durchgezogen, wäre es vorbei gewesen.“

Ein zentrales Learning aus der Praxis lautet Ehrlichkeit. „Wenn man sich einredet, dass der Vertriebsleiter ein Depp war, statt zu erkennen, dass das Produkt nicht marktfähig ist – dann läuft man immer wieder gegen die Wand“, warnt von Frankenberg. Wer scheitert, solle zuerst die Realität anerkennen und dann möglichst schnell alle Optionen prüfen. Es gehe darum, „jeden Stein umzudrehen“, auch wenn das unbequem sei.

Für Kapitalgeber gilt: Rückhalt ist entscheidend. „Man sollte die Gründer so lang und so stark wie möglich unterstützen – auch wenn man Zweifel hat.“ Doch wenn das Vertrauen endgültig verloren geht, muss die Trennung professionell und zügig erfolgen: „Je schneller ich handle, desto eher kann man Chancen noch nutzen.“

Im Bereich Blockchain und Krypto ist aus Sicht von Frankenberg besonders häufig zu beobachten, dass technologische Entwicklungen ohne realen Nutzen oder Geschäftsmodell entstehen: „Oft gibt es gar keinen sinnvollen Use Case – oder die Blockchain ist technisch nicht notwendig.“ Auch hier gelte: Marktvalidierung und Anwendbarkeit gehen vor Hype.

Trotz aller Misserfolge sieht der HTGF-Chef die Erfolgsfaktoren klar verteilt: Nur etwa 6 % der Beteiligungen machen am Ende den Großteil der Rendite aus. „Der Erfolg konzentriert sich stark auf ganz wenige Unternehmen.“ Es sei daher ebenso wichtig, Ressourcen rechtzeitig aus Krisenfällen abzuziehen und auf die wenigen Potenzialträger zu fokussieren.

Was bleibt? „Wenn man ehrlich ist, kann man Krisen meistern“, fasst von Frankenberg zusammen. Doch ohne Teamfit, Marktverständnis und Resilienz ist auch das beste Kapital nur ein leeres Versprechen.


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Betreiber und Gründer von Kryptokenner.de. Ich beschäftige mich seit 2014 mit Kryptowährungen. Der freiheitliche, philosophische Gedanke von Bitcoin hat mich zuerst begeistert, doch erst einige Zeit später habe ich das Potential in der Blockchain-Technologie verstanden. Mein Ziel ist es euch das sichere Investieren und den Nutzen von Kryptowährungen näher zu bringen. Mehr zu mir und dem Blog.